Wie gehe ich mit Gefühlen um, ohne mir oder anderen zu schaden?

Gefühle fühlen will gelernt sein

Mit Gefühlen umzugehen, lernen wir meist von unseren Eltern. Das heißt, dass wir heute lernen können, anders mit unseren Gefühlen umzugehen.

Leider spielt der Umgang mit den eigenen Gefühlen in unserem Bildungssystem keine Rolle. Deshalb können wir uns als Kind eigentlich nur abschauen, was die Erwachsenen machen.

Die häufigste Strategie ist das Unterdrücken von Gefühlen. Gefühle zu zeigen, ist beinahe ein Tabu und maximal im privaten Raum erlaubt. Aber auch da haben viele von uns als Kind gehört:

  • „Stell dich nicht so an“,

  • „Jungen weinen nicht“ oder

  • „Augen zu und durch“ und haben das gut verinnerlicht.

Unsere Gefühle sind uns oft schlicht und einfach zu viel, wir wissen nicht, wohin damit und wollen andere Menschen nicht damit belasten oder sie sogar verletzen. Obwohl wir uns das wünschen, sind die Gefühle dann aber nicht einfach weg.

Ich verwende oft das Bild von „angestauten Gefühlsbergen in uns“, die sich irgendwann schwer und dunkel anfühlen. Dann können auch kleinste Trigger große Gefühle auslösen.

Eine andere Strategie, mit seinen Gefühlen umzugehen, ist das Rausplatzen. Vor allem bei Stress oder Wut passiert uns das häufiger. Vielleicht fühlen wir uns angegriffen und schlagen verbal zurück, und auch in Angst können wir schroff und laut werden. Oft ist uns das im Nachhinein unangenehm, aber dann liegt bereits ein saftiger Partnerschaftsstreit auf dem Tisch oder das Kind sitzt weinend in seinem Zimmer. Und in der Regel trifft der Ton die anderen viel mehr als unsere Worte.

Ich beschreibe diese beiden Möglichkeiten, mit seinen Gefühlen umzugehen gerne mit: seine Gefühle sich selbst oder anderen reindrücken.

Was soll ich auch sonst tun? Ich habe ja nichts anderes gelernt.

Gefühle transformieren: Eine andere Möglichkeit, mit Gefühlen umzugehen

Es gibt eine Art, seine Gefühle zu transformieren, in dem man sie wieder fließen lässt. Dabei entsteht ein körperlicher und emotionaler Flow, mit dem ich nichts aktiv machen muss, ich muss ihn allerdings erlauben. Mit dieser körperlichen und emotionalen Energie kann mein System dann arbeiten.

Mein Körper ist hochintelligent und macht meiner Erfahrung nach, genau das, was in dieser Situation für den einen Menschen das Passende ist. Diese Energie kann sich am Ende sehr aktivierend und kribbelig anfühlen oder auch ganz ruhig, passiv und erdend.

Hier ist ein Beispiel aus meiner Praxis:

Eine Frau macht im Haushalt etwas anders als ihr Mann es machen würde. Der kann das nicht ertragen und kritisiert sie, woraufhin sie sich verteidigt und dann beide energisch argumentieren. Der Streit bleibt ungelöst, die schlechte Stimmung hängt beiden nach. Und das, obwohl beide einander wirklich lieben.

Was könnte die Frau anders machen?

Wenn sie die Dynamik bemerkt, könnte sie die Notbremse ziehen und z.B. sagen: „Moment mal, ich fühle mich gerade so aufgebracht und ich habe das Gefühl, so kommen wir nicht weiter. Ich will mir gerade mal Zeit für meine Gefühle nehmen und mich zurückziehen, um wieder runterzukommen.“

Sie könnte dann in ein anderes Zimmer gehen, sich hinsetzen oder legen und auf eine bestimmte Art ihre Gefühle wahrnehmen/transformieren, einfach das, was gerade da ist. In der Praxis war das erst Wut, dann Scham (weil sie fand, dass ihr Freund irgendwie recht hat, sie es sich und ihm aber nicht eingestehen wollte), dann Traurigkeit über den Streit und dann eine andere, ältere Traurigkeit, die mit hoch geschwappt kam.

Als das alles durch war – und es hat nicht lange gedauert -, habe ich sie gebeten, wieder an ihren Freund zu denken und gefragt, was sie gerade fühlt. Dass sie ihn einfach liebt, war ihre Antwort. In diesem Gefühl ist sie eine Weile geblieben und hat sich regelrecht damit satt gemacht. Dann habe ich sie gefragt, wie sie im Streit reagiert hätte, wenn sie sich so wie jetzt gefühlt hätte: „Ich könnte über seine Bemerkung lachen und würde ihn einfach in den Arm nehmen.“

Jetzt könnte sie ihm lachend sagen, dass sie das selber Quatsch findet, was sie da gerade macht, aber vielleicht gerade in Gedanken war. Oder wenn sie der Ansicht ist, dass sie die Dinge im Haushalt gut und richtig macht, könnte sie ihm sagen: „Weißt du, wir sind einfach unterschiedliche Menschen, und du machst die Dinge in deiner Art und ich mache sie in meiner Art.“

Meiner Erfahrung nach kann ein wirklich neues Miteinander entstehen, wenn man ab und an mal seine Gefühle transformiert, bevor man spricht, schimpft, kritisiert, sich verteidigt, alles in sich reinfrisst oder einfach abhaut. Wenn das Gesamtgefühl sich geändert hat, ändert sich der Ton und ich wähle ganz andere Worte. Aus einem Gegeneinander wird ein Miteinander.

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